Wasserstoffinfrastruktur: Umrüstung von Erdgasleitungen und Perspektiven für die Zukunft

Als Verteilnetzbetreiber stellen wir uns der Herausforderung einer zukunftsorientierten ökologischen Energie- und Rohstoffversorgung. Derzeit prüfen wir die Eignung der Leitungen, Armaturen und Ventile unseres Verteilnetzes für den Transport von Wasserstoff. In einigen Kommunen innerhalb unseres Netzgebietes gibt es bereits erfolgreiche Projekte, in denen bestehende Erdgasleitungen für den Transport von Wasserstoff umgerüstet wurden. Im Hinblick auf eine Wasserstoffwirtschaft wird eine flächendeckende Netzinfrastruktur mit ausreichender Kapazität benötigt, um eine zuverlässige und kontinuierliche Versorgung mit klimafreundlichem Wasserstoff, z.B. für wichtige Industriezentren, zu gewährleisten.


Wie kann Wasserstoff transportiert werden?

Wasserstoff ist ein klimaneutrales, speicherbares Gas, das über große Distanzen transportiert werden kann. Aufgrund seiner geringen volumetrischen Energiedichte wird Wasserstoff in der Regel verdichtet oder verflüssigt, bevor er per Pipeline, Schiff, LKW oder Zug transportiert wird. Alternativ kann Wasserstoff auch in Form von (chemischen) Trägern wie Ammoniak, Methan, Methanol und flüssigen organischen Wasserstoffträgern (LOHC) gespeichert und transportiert werden.

Chemische Wasserstoffträger sind aufgrund ihrer höheren Speicherdichte umso vorteilhafter, je größer die zu überbrückende Transportentfernung ist, und könnten in Zukunft kostengünstige Lösungen für den Transport über große Entfernungen, z. B. bei interkontinentalen Importen, bieten. Für kurze bis mittlere Entfernungen, wie für den nationalen und auch innereuropäischen Handel, sowie für den Handel mit nahegelegenen Ländern, wird der Transport von gasförmigem Wasserstoff über Pipelines im Vergleich zu Wasserstoffträgern häufig als wirtschaftlich vorteilhaft bewertet, da die energieintensiven Umwandlungsschritte dadurch vermieden werden können. Darüber hinaus sind Leitungsnetze besonders geeignet, um schnell eine geeignete Handelsinfrastruktur bereitzustellen und die Umweltvorteile der Wasserstoffwirtschaft bereits kurz- bis mittelfristig nutzen zu können.

Vereinigung der Fernleitungsnetzbetreiber Gas e.V./ https://fnb-gas.de/

Netzinfrastruktur

Als Deutschlands größter Verteilnetzbetreiber für Strom und Gas arbeiten wir kontinuierlich an der Errichtung, Instandhaltung und dem Betrieb unserer Verteilnetze und stehen damit bereits seit vielen Jahrzenten für eine sichere Energie- und Rohstoffversorgung im Westen Deutschlands. Wir betreiben im großen Umfang Strom- sowie Gasnetze und ermöglichen den Energielieferanten die Bereitstellung Ihrer Produkte für Ihre Abnehmer. Unser Wissen und unsere Erfahrung insbesondere im Betrieb von Gasinfrastrukturen ermöglichen uns auch im Hinblick auf eine Wasserstoffwirtschaft eine sichere und zuverlässige Netzinfrastruktur bereitzustellen. 

Als Gasverteilnetzbetreiber stehen wir für verbundene Leitungsnetze zwischen dem Transport über große Entfernungen und der Weiterverteilung bis zum Endverbraucher. Ein Konstrukt welches sich mit der Verkehrsinfrastruktur vergleichen lässt.

Bezeichnung Druckstufe Verantwortlichkeit Analogie
Gastransportnetz Hochdruck Fernleitungsnetzbetreiber Autobahn
Gasverteilnetz Hochdruck Verteilnetzbetreiber Bundesstraße
Gasverteilnetz Mittel-/Niederdruck Verteilnetzbetreiber Landstraße

Über das Transportnetz, gleichzusetzen mit einer Autobahn, wird Erdgas, welches zukünftig durch Wasserstoff ersetzt werden kann, über große Distanzen transportiert. Über angeschlossene Netzkopplungspunkte, zu betrachten wie Autobahnabfahrten, erhalten nachgelagerte Verteilnetzbetreiber das transportierte Gas und können dieses über ihre Verteilnetze, vergleichbar mit Bundesstraßen und Landstraßen, weiterverteilen und die regional vorhandenen Bedarfe decken. 

Für den Aufbau eines Wasserstoffnetzes bringen wir als Westnetz nicht nur unser Wissen und unsere Erfahrung mit, sondern auch einen beträchtlichen Teil an Infrastruktur, welche wasserstofffähig ist.


Umstellung bestehender Erdgasleitungen

Das Wasserstoffnetz kann entweder durch eine schrittweise Umstellung unserer Erdgasleitungen auf Wasserstoff oder - wo notwendig - durch Neubauten entstehen.  Im Falle eines erfolgreichen Markthochlaufs der Wasserstoffwirtschaft wird oftmals eine sukzessive Abnahme der Erdgasbedarfe prognostiziert. Infolgedessen wird eine zunehmende Anzahl an Leitungen künftig nicht mehr für die Erdgasversorgung benötigt und kann für den Transport von Wasserstoff verwendet werden. Die Umrüstung bestehender Erdgasleitungen anstelle der Verlegung neuer Leitungen verringert die Kosten für den Aufbau eines Wasserstoffnetzes erheblich. Daher wird das zukünftige Wasserstoffnetz voraussichtlich sowohl aus neu gebauten Wasserstoffleitungen als auch aus bestehenden Erdgasleitungen bestehen, die für den Transport von Wasserstoff umgerüstet werden.

Zu den vorbereitenden Maßnahmen zur Verwendung bestehender Erdgasleitungen für den Transport von Wasserstoff gehören:

(1) Wo möglich: Reinigung und Trocknung, auch Molchung genannt, z. B. mit einem Pipelinekratzer, der mit trockener Druckluft durch die Pipelines bewegt wird, 

(2) Spülung mit inertem Stickstoffgas, um eine sauerstofffreie Atmosphäre zu erhalten,

(3) Bei Bedarf: Austausch von Apparaturen wie z. B. Armaturen

Unsere Leitungen werden laufend überwacht und inspiziert, um mögliche Schwachstellen, Risse oder Leckagen augenblicklich aufzuspüren und zu lokalisieren. Darüber hinaus wird die Eignung unserer bestehenden Gasinfrastruktur für den Transport von Wasserstoff eingehend untersucht und konnte bereits im Rahmen von Projekten nachgewiesen werden. In diesem Kontext haben wir etwa eine Druckregel-, Mess- und Odorieranlage für Wasserstoff errichtet und eine bestehende Erdgasleitung als Teil der öffentlichen Gasversorgung auf 100 Prozent Wasserstoff umgestellt. Parallel dazu wurde dabei auch die vielfach diskutierte Permeation von Wasserstoff durch die Rohrleitungen gemessen. Als Ergebnis konnten die zuvor bereits im Labor ermittelten Permeationsraten im Feld bestätigt und als unbedenklich eingestuft werden.

Demnach sind, abgesehen von einigen vorbereitenden Maßnahmen, nur geringe Anpassungen erforderlich, um bestehende Erdgasleitungen für den Wasserstofftransport zu qualifizieren, da diese häufig nach ähnlichen Anforderungen und Standards wie Wasserstoffleitungen ausgelegt und installiert wurden. Kurzum: Die aktuelle Erdgasinfrastruktur ist schon heute größtenteils für den Wasserstofftransport einsetzbar oder mit überschaubarem Aufwand umstellbar. 

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